Die Revolution von 1848 in Villingen

Als geschichtliches Thema verblasst die 1848er Revolution oft hinter größeren Ereignissen wie der Französischen Revolution oder den beiden Weltkriegen. Dabei war die Revolution für Deutschland ein wichtiger Wegbereiter zur Demokratie und zum Nationalstaat, auch wenn sie zunächst scheiterte.

In Baden und auch im beschaulichen Villingen nahm die Revolution besonders Fahrt auf. Das schlägt sich im umfangreichen Archivmaterial dazu nieder. Das Online-Modul zeigt eine Auswahl der vorhandenen Dokumente und klärt welche Faktoren zur Beschleunigung der badischen Revolution beigetragen haben, welche Forderungen und Ziele die Revolutionäre hatten und erreichten und woran die Revolution schließlich scheiterte.

Alle Dokumente werden als PDF zur Verfügung gestellt. Die Originale sind im Stadtarchiv Villingen-Schwenningen einsehbar.

Villingen vor 1848

Villingen beherbergte zur Mitte des 19. Jahrhunderts etwa 4400 Menschen. Von ihnen war die Mehrheit als Handwerker tätig, eine kleinere Gruppe gehörte zum Bürgertum: Lehrer, Beamte, Kaufleute. Die Industrialisierung war noch nicht wirklich in der Stadt angekommen und die wirtschaftliche Lage war insgesamt schwierig. Gerade in den ärmeren Bevölkerungsschichten führte das auch immer wieder zu Auswanderungswellen und dem Versuch so der Armut zu entkommen. 1847 traf die Villinger nach schlechten Ernten im Vorjahr wieder eine große Hungersnot.

Die seit dem Mittelalter etablierte Ständegesellschaft verlor zunehmend an Bedeutung und das politische Bewusstsein insbesondere im Bürgertum erwachte. Doch dieses traf auf die repressive Politik des Großherzogs Leopold von Baden. Demokratische Bemühungen wurden unterdrückt und die Presse unterlag einer Zensur. Gemeinsam mit der wirtschaftlichen schwierigen Lage bildete das den Nährboden für die Revolution 1848/49.

Zentrale Forderungen der Revolutionäre

Die Revolutionsbewegung in Villingen schloss sich in ihren Forderungen der Bewegung in Baden und anderen deutschen Staaten an. Sie wollten mehr Rechte für die Bürger und forderten deshalb:

Volksbewaffnung, Pressefreiheit, Schwurgerichte, Glaubensfreiheit, Abschaffung indirekter Steuern, Abschaffung der Stände und Standesvorrechte-, die Gründung eines allgemeinen deutschen Parlaments.

Die Forderungen zeigen, wie eingeschränkt die Rechte zur damaligen Zeit für die Bürger noch waren, und Rechte wie die Pressefreiheit oder das Wahlrecht gelten heute als zentrale Elemente von demokratischen Staatssystemen.

In Villingen unterzeichneten am 5. März 1848 500 Bürger eine Petition mit den revolutionären Forderungen. Wenige Tage später, am 14. März 1848 hielt der Arzt Karl Hoffmann vor tausenden Menschen auf dem Balkon der Stadtapotheke in der Rietstraße eine Rede, die auch die Forderungen der Revolutionäre thematisierte. Mit über 3000 Teilnehmern, in der mit schwarz-rot-gold geschmückten Rietstraße, war die Versammlung für die Villinger ein Großereignis. Karl Hoffmann wurde zu einem Führer der Bewegung in Villingen.

Im Anschluss an die Versammlung lud Hoffmann zur Wahl eines Volksausschusses am 2. April in Villingen ein. Der Volksausschuss sollte "zur Beförderung der Volksbewaffnung und schleunigen Besorgung sonstiger Volksangelegenheiten" eingerichtet werden. Die kleine Gruppe gewählter Mitglieder hatte die Aufgabe, die Forderungen der revolutionären Bewegung zu vertreten und wenn möglich durchzusetzen. Die Bewaffnung der Bevölkerung gehörte dabei zu den ersten Schritten, denn dadurch konnte Macht ausgeübt werden. Die Villinger Revolutionäre waren zum Großteil gemäßigt und nicht radikal republikanisch.

SAVS 2.2 6137 - Einladung zur Wahl eines Volksausschusses (PDF 1,57 MB)

Forderungen der Revolutionäre

Eine der zentralen Forderungen der 1848er Revolution war die Pressefreiheit. In vielen deutschen Staaten unterlag die Presse bis dahin einer strengen Zensur. Das hieß, dass Zeitungen oder Bücher mit politischen Schriften ohne Angabe von Gründen verboten werden konnten. So war es relativ schwer für die Menschen an gesicherte Informationen über politische Vorgänge zu kommen, die nicht in ihrer unmittelbaren Umgebung stattfanden.

In Villingen war die Lage zunächst noch schwieriger, denn es gab keine Druckerei, die überhaupt Presseerzeugnisse hätte drucken können. Schon in den 1830er Jahren hatten zwei Villinger versucht sich mit Druckereien in Villingen niederzulassen. Jakob Ruth eröffnete zunächst ohne Erlaubnis der Behörden eine Druckerei. Nachdem er sie zwischenzeitlich wieder schließen musste, bekam er 1836 die endgültige Konzession. Schon bald wurden in Villingen Pläne gehegt ein Wochenblatt zu veröffentlichen und damit ein Pressewesen in der Stadt zu etablieren. Hierbei setzte sich schließlich Ferdinand Förderer gegen Jakob Ruth durch und erhielt die Druckerlaubnis von der Behörde der Seekreisregierung. 1839 erschien dann als erste Zeitung Villingens das "Gemeinnützige Wochenblatt für den Schwarzwald", später umbenannt in "Der Schwarzwälder".

Ferdinand Förderer stammte aus Villingen und ließ sich in Freiburg zum Drucker ausbilden. Da er zunächst keine eigene Druckerei besaß, mussten die ersten Ausgaben des Schwarzwälders noch auswärts gedruckt werden. Nach zahlreichen Bittschreiben die Genehmigung hierfür zu bekommen, erreichte Förderer erst 1847 sein Ziel. Am Vorabend der Revolution konnte er seine Buchdruckerei Förderer in Villingen eröffnen. Förderer war einer der größten Unterstützer der Revolution in Villingen und nutzte dafür seine Druckerei und Zeitung zur Verbreitung des revolutionären Gedankenguts.

Im Stadtarchiv finden sich zahlreiche der von Förderer gedruckten Schriften, so auch das Dokument:

SAVS 2.2 6137 – Wochenbeilage Zum Schluss des Jahres 1848 (PDF 3,6MB)

Nach dem Scheitern der Revolution zog sich Förderer zunächst aus der Politik zurück. Zwar war er ab 1857 Mitglied des Gemeinderats, sah aber seine Aufgabe in der Stadt inzwischen eher in der Förderung und Sicherung des kulturellen Erbes. Er gründete später die Altertümersammlung, die die Grundlage für die daraus entstandene stadtgeschichtliche Abteilung bildete.

Die Gründung eines allgemeinen deutschen Parlaments war eines der großen Ziele der Revolutionsbewegung 1848. Es sollte die Gründung eines Gesamtdeutschen Nationalstaates auf demokratischem Weg vorantreiben.

Im Frühjahr 1848 fanden die Wahlen für die Nationalversammlung statt. Die Wahlen liefen nicht überall nach dem gleichen Prinzip ab. In Baden wurden die Vertreter mit Hilfe von Wahlmännern gewählt.

SAVS 2.2 Nr. 6137 Wahlaufruf (PDF 2,79MB)

In Villingen kam es bei der Wahl zu kleineren Unruhen. Gewählt wurden mit gleicher Stimmenzahl der radikale Friedrich Hecker und der Freiburger Fabrikant Carl Mez. Radikale Republikaner warfen zwei Wahlmännern, die gegen Hecker gestimmt hatten, im Anschluss die Fensterscheiben ein. Letztlich fiel die Wahl aber im Losverfahren doch auf Mez. Er reihte sich ein in die Nationalversammlung, die zu großen Teilen durch Akademiker wie Juristen, Professoren und Journalisten geprägt war. Frauen waren von den Wahlen komplett ausgeschlossen. Die Frauenrechtlerin Louise Dittmer brachte das mit folgenden Worten auf den Punkt:

„Wohl spricht man viel von Freiheit für alle, aber man ist gewöhnt unter dem Wort ‚alle’ nur die Männer zu verstehen.“

Die Nationalversammlung tagte in der Frankfurter Paulskirche und kam erstmals am 18. Mai 1848 zusammen.

Ein großer Erfolg war der Beschluss der Grundrechte des deutschen Volkes im Dezember 1848. Damit wurden erstmals die Menschenrechte in deutschen Staaten gesetzlich festgehalten. Sie umfassten die Gleichheit vor dem Gesetz, die Aufhebung der Standesvorrechte, Presse- und Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Freizügigkeit und die Abschaffung der Todesstrafe.

1849 wurde die neue Reichsverfassung verabschiedet, die einen deutschen Nationalstaat mit Bundesstaaten vorsah. Dem Parlament wurden darin umfangreiche Rechte zugeschrieben, wie die Gesetzgebung, Budgetkontrolle und die Kontrolle der Exekutive. Das Staatsoberhaupt war der Kaiser. Friedrich Wilhelm IV. von Preußen lehnte die Wahl zum Kaiser der Deutschen jedoch ab und versetzte damit dem ersten Gesamtdeutschen Parlament den Todesstoß. 

Begleitend zur Frankfurter Nationalversammlung entstanden politische Volksvereine, in denen die Menschen mit ähnlichen politischen Einstellungen zusammenkamen. Die republikanischen Vereine sollten die bisher erzielten Erfolge der Revolution vor Ort unterstützen. Der republikanische Volksverein in Villingen hatte schon bald 450 Mitglieder.

SAVS 2.2 6137 Der Volksverein zu Villingen (PDF 3,19MB)

Im Gegenzug gründete sich auch ein konservativ-vaterländischer Volksverein, der gemäßigtere Forderungen im Rahmen einer Monarchie umsetzen wollte.

SAVS 2.2 6137 Gründungsaufruf Vaterländischer Verein (PDF 1,81 MB)

Das Scheitern der Revolution

Ein Jahr nach den ersten Revolutionsausbrüchen kam es nochmal zu einem großen Aufbegehren der Revolutionäre. Am 14. Mai 1849 fand in Villingen eine Volksversammlung statt, die erste radikalere Änderungen beschloss. Bürgermeister Stern und sein Ratsschreiber wurden ihres Amts enthoben und ersetzt. Am 21. Mai wurde der bekannte Arzt und Revolutionär Hoffmann zum Zivilkomissär ernannt und damit zu einem der mächtigsten Männer im Bezirk.

SAVS 2.2 Nr. 6137 Aufruf zur Unterstützung des Kampfes (PDF 3,17MB)

Doch während in Villingen die Revolution voranschritt, wurde sie außerhalb geschlagen. Großherzog Leopold holte sich nach seiner Flucht preußische Truppen zur Hilfe, die nach und nach die Revolutionsarmee schlugen und der Revolution damit ein Ende setzten. Im Juli 1849 flohen 149 Villinger mit der Revolutionsarmee in die Schweiz.

Die an der Revolution beteiligten Männer mussten sich in den folgenden Monaten und Jahren vor Gericht wegen Hochverrats verantworten und wurden zum Teil zu langen Haftstrafen verurteilt, denen sie durch die Flucht ins Exil versuchten zu entgehen. Einige von ihnen zogen sich resigniert aus der Politik zurück wie Ferdinand Förderer, der in Villingen blieb. Er wurde zwar nicht verurteilt, durfte aber lange Zeit seine Wochenzeitung nicht mehr drucken. Karl Hoffmann dagegen floh nach seiner Verurteilung in die Schweiz, wo er 1857 starb.

SAVS 2.2 Nr. 6137 Verurteilung von Julius Braun (PDF 6,22MB)

Politisch folgte auf die Revolution eine Zeit der Restauration und Rückkehr zur alten Ordnung. Auch die Frankfurter Nationalversammlung beschloss im Juni 1849 ihre Auflösung und musste das Ziel eines geeinten, demokratischen Nationalstaats aufgeben.

 

Alle Texte und Scans finden Sie hier nochmal zum Download als PDF: 1848er Revolution (PDF 7,4MB)