Bild: Horst W Kurschat

Wendelin Matt, Wegkreuz

Wegkreuz, 1976
Crailsheimer Muschelkalk
228 x 105 x 44 cm  

Ort: Saubühlweg 17, Ecke Villinger Straße, am Ortsausgang Schwenningen a. N. Richtung Villingen

Standort im Stadtplan

Im Auftrag von Maria und Isidor Müller und der Kirchengemeinde 'Mariä Himmelfahrt' in Erinnerung an den Tod eines Familienmitgliedes geschaffen.

Text von Dr. Heiderose Langer in: Wendelin Matt – Bildwerke und Skulpturen
Hrsg. Wendelin Renn, Städtische Galerie Villingen-Schwenningen, 2014

"Ich möchte ja nicht, dass ich nur ich bin" Wendelin Matt

Der Künstler und sein Gegenüber – Zu den Bildwerken von Wendelin Matt

»Wenn ein guter Bildhauer menschliche Körper modelliert, so stellt er nicht nur die Muskulatur dar, sondern auch das Leben, das sie erwärmt, (...) ja mehr als das Leben (...) die Kraft, die sie geformt und ihnen Anmut oder Stärke, Liebreiz oder ungezähmte Freude schenkte.« Auguste Rodin

Wendelin Matt in seiner Werkstatt zu besuchen, öffnet die Augen für seine Kunst. Er steht vor seinen Skulpturen und streicht mit den Händen über die gestaltete Form, erspürt Struktur, Volumen und Materialität des Steins. Die sanften und einfühlsamen Handbewe gungen, mit denen er seine Skulpturen berührt und die raue, poröse oder glatt polierte Oberfläche spürt, vergegenwärtigen den künstlerischen Prozess als körperbildenden Vorgang. Es geht um das Be-greifen –im realen wie auch übertragenen Sinn. Hände, die Holz und Stein gestalten, Augen, die prüfend die Figur abtasten: Dieses Miteinander von Formgebung und sinnlicher Wahr nehmung steht im Zentrum des bildnerischen Schaffens von Wendelin Matt und führt dem Betrachter die Körperhaftigkeit seiner skulpturalen Kunst werke vor Augen.

Einen wesentlichen Anteil an der körperbezogenen Formung seiner Bild werke haben die verwendeten Werkstoffe Holz und Stein, vor allem Kalk- und Sandstein. Das heißt, es handelt sich nicht um passive Materialien, mit denen er arbeitet, sondern sie fordern zur körperlichen Auseinandersetzung und Konzentration heraus. Sie müssen mit Kraft bearbeitet werden, einfühlsam und überlegt. Über Jahr zehnte kann ein Stein in der Werkstatt von Wendelin Matt gelagert sein, täglich begegnet er ihm, bis er ihm schließlich eine vitale Gestalt gibt. Es ist, als müsse er sich zunächst in die Seele dieses steinernen Monoliths hineindenken und seine erdgeschichtliche Vergangenheit spüren. Denn der Stein trägt das Gesetz seiner Form in sich, und es ist der Bildhauer, der sie aus dem rohen Block herausholt. Dabei treffen das von der Natur Geformte und der künstlerische Formwille, das Rohe und das Bearbeitete spannungsvoll aufeinander. Ein Gesicht, Körpervolumina oder eine Hand nehmen Gestalt an und korrespondieren mit unbearbeiteten Partien bzw. der Blockhaftigkeit des Steins. Beim Arbeiten am Stein reagiert der Künstler auf die individuelle Struktur und Beschaffenheit seines Werkstoffes. Ebenso sensibel setzt er sich mit der besonderen Materialität von Pappe und Papier aus-einander: »Da sind Spuren auf dem Papier (...) und dann passiert es halt«, sagt Wendelin Matt. Zum Beispiel die Papierarbeit 'In der Zeit – gefangen': Schicht um Schicht kommen Papier und Farbe, Linie und Fläche zusammen und interagieren miteinander. Die Farbe fließt, versickert, scheint aus dem Untergrund wieder auf. Papier verdeckt Farbschichten oder löst sich in transparente Felder auf. Auf diesem Weg baut sich ein Bild auf, das zwischen Menschwerdung und Auflösung changiert. Und auch sein Wellpappe-Relief 'Gefolterter' führt vor Augen, wie die spezifische Materialität des alltäglichen Verpackungsmaterials für ihn zu einem wichtigen Ausdrucks medium wird. Nach und nach gräbt er sich in das Material ein, verletzt es dabei, dringt in das Innere vor und formt ein Urbild menschlichen Leidens.

Die Werkstoffe werden für ihn zu einem Gegenüber, mit dem er handelnd kommuniziert und Schritt für Schritt, immer wieder formale und technische Entscheidungen treffend, die Form weiter entwickelt. Somit stellt sich der Arbeitsprozess als ein intuitives und spontanes Formen und Gestalten dar, ein Prozess, dem ein Verknüpfen von Gedachtem und Gefühltem mit dem allmählichen Wachsen der skulpturalen Form aus dem Grund des Papiers oder des Steins zugrunde liegt. In diesen langsam fortschreitenden Gestaltungsvorgang fließen Körperkraft und Lebensgefühl ein. Stets bleibt dabei der Entstehungsprozess sichtbar. Bearbeitungsspuren, die durch das Bohren, Hämmern und Schleifen entstehen, strukturieren die Oberfläche. Hinzu kommen Licht und Schatten, die den Stein modellieren und in eine lebendig-bewegte Form verwandeln.

Verwachsen mit der Urgestalt des Steins haftet den Figuren von Wendelin Matt etwas Urwüchsiges an. Sie wirken wie eingebettet in den ewigen Stein, in sich ruhend, konzentrierte Stille ausstrahlend. Oder aber sie versuchen sich herauszuwinden, sich frei zu kämpfen und verharren sodann in den vorgegebenen 'Bild'-Grenzen. Sie tauchen aus dem Urgrund des Menschlichen schemenhaft auf, erinnern an archaische Figurationen, unabgeschlossen, eher Skizze als vollendetes Ganzes, mit Ecken und Kanten und deshalb umso offener und wandelbarer in ihrer Erscheinung. Aufgeladen mit elementaren Gefühlen und Erfahrungen begreift Wendelin Matt seine Skulpturen wie auch die Papier- und Pappe-Arbeiten bzw. Collagen als Ausdrucksträger existenzieller menschlicher Situationen.

Seine Bildthemen liefert ihm das Leben mit seinen Höhepunkten, Konflikten und Intensitäten. Es geht um Liebe, Leidenschaft, Verletzbarkeit und Unterdrückung, um Vergänglichkeit, Trauer, Tod, Glaube, Freiheit und Gefangensein. Hierfür setzt er Bildmotive aus der christlichen Ikonographie, zum Beispiel Darstellungen der Heiligen Familie und Kreuzigungsszenen, ebenso ein wie profane Themen aus Gesellschaft und Politik, beispielsweise seine Serie der Soldatinnen oder die 'Gebohrten Preußen'. Er nimmt den ernsten Themen ihre Schwere und ihr Pathos, gibt dem unterdrückten und leidenden Menschen einen Funken Hoffnung auf Veränderung und den religiösen Szenen einen Moment von Heiterkeit und Unkonventionalität. Hierin artikuliert sich seine künstlerische Freiheit im Umgang mit Bildtraditionen und gesellschaftlich tradierten Vorstellungen wie auch Rollenmustern.

Das Thema Freiheit bzw. Unfreiheit durchzieht wie ein roter Faden sein gesamtes Werk. So stehen die in den gefalteten Rastern der 'Tempobilder' eingeschlossenen, malträtierten und sich windenden Figuren bzw. Figurengruppen für das Gefangensein im eigenen Selbst. Es ist zugleich das Streben nach Freiheit, die nicht von außen kommt, sondern die jeder in sich selbst findet, für das er nach Bildern sucht. Seine Figuren greifen deshalb nicht in den Raum hinein, keine raumerobernden Gesten werden inszeniert. Sie sind vielmehr in ihrem eigenen Raum, der als Schutzbehältnis empfunden wird, verwurzelt. Aus ihm treten sie nur heraus, um für den Anderen zu einem Gegenüber zu werden. 'Kleiner Akt im gebohrten Stein' führt diese Haltung exemplarisch vor: Geborgen im Inneren des Steins und mit diesem rückseitig verhaftet, kommt die weibliche Figur mit ausgebreiteten Armen auf den Betrachter zu – nackt, unschuldig, verletzbar. Sie verkörpert eine innere Geschlossenheit, die für die Unantastbarkeit der Würde des Menschen steht.

Mann und Frau in enger Umarmung 'verblockt', so in der Skulptur 'Paar': Weniger die erotisch-körperliche Beziehung steht im Vordergrund, viel eher eine lange Verbundenheit und zwischenmenschliche Nähe. Grob behauen und abstrahiert in seiner Gestalt beginnt der Stein zu 'sprechen'. Die sichtbar gelassenen Bearbeitungsspuren verwandeln sich in Verletzungen, Narben, Spuren des Alters. Hingegen entfalten die robusten Frauenfiguren in der 'Kleinen Quotensäule' ihre pralle Weiblichkeit. Zwischen zwei Steinplatten eingekeilt, senken die Frauen unter der schweren Last ihre Köpfe – Wendelin Matts Kommentar zur politisch gewollten Quotenregelung.

Vom äußeren Erscheinungsbild der Welt ausgehend, versucht er zum Wesen und damit zum Grund menschlicher Existenz vorzudringen und in seinem künstlerischen Werk anderen Menschen etwas mitzuteilen, einen Denkanstoß oder eine Gefühlsanregung zu geben, christliche Glaubensinhalte und Werte zu vermitteln. So werden seine Skulpturen zu komplexen Sinnbildern des Lebens. Geleitet von einer humanistischen Achtung vor Traditionen, ausgestattet mit einem handwerklichen Gespür für Material, Technik und Arbeitsvorgänge soll sein künstlerisches Tun dem Menschen zugute kommen und weniger der eigenen Selbstverwirklichung dienen. Die menschliche Figur ist, auch weil der Betrachter das eigene Körpergefühl im Bildwerk wiederfindet, ein gleichsam zeitloses, immer aktuelles Thema. Es ist ein Thema, das Bestand hat.

Der Text von Dr. Heiderose Langer erschien in: Wendelin Matt – Bildwerke und Skulpturen'; Hrsg. Wendelin Renn, Städtische Galerie Villingen-Schwenningen, 2014
Wir danken herzlich für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.

Arbeiten im öffentlichen und kirchlichen Raum

1973 Denkmal für Luftkriegsopfer, Schwenningen a. N. Waldfriedhof 1974 Martin-Luther-Kirche, Trossingen: Lesepult und Osterleuchter Mariä-Himmelfahrt Kirche, Schwenningen a.N.: Altar, Ambo Tabernakelstele, Bronze-Türgriffe 1975 St. Paul, Tübingen: Marienfigur 1976 Wegkreuz, Schwenningen a.N. Villinger Straße Katholische Kirche Asperg: Marienfigur, Krippenbaum, Frauenkopf Kirche Mariä Verkündigung, Stuttgart (mittlerweile aufgelöst; Standort unbekannt) 1976/1977 St. Theresia, Trossingen: Altar, Ambo, Taufstein, Tabernakelanlage, Vortragskreuz, Bild im Altarraum, Holzfiguren, alle oberen Fenster sowie zwei bildhafte kleine Fenster 1977 St. Konrad Zimmern o.R.: Altarraumgestaltung 1978 alle Bildhauerarbeiten im Dom, Rottenburg 1979 Katholische Kirche Waldhausen bei Lorch: Figur St. Elisabeth Stuttgart-Stafflenberg St. Konrad: zwei Bronzefiguren 'Heilige unter uns', St. Franziskus und St. Konrad 1980/1981 St. Columban, Friedrichshafen: Marienfries und verschiedene Bildhauerarbeiten 1981 Unterkochen Barbara-Kapelle: Hänge-Kreuz und 2 Bronzeleuchter St. Konrad, Lichtenstein-Unterhausen: Altarraumgestaltung, Konrad-Figur über dem Eingang und ein Fenster 1982 St. Otmar, Hochmössingen: Altarraum 1983 St. Pelagius, Rottweil-Altstadt: Altarraumgestaltung und Türgriffe 1984 Brunnensäule, Trossingen 1985 Stadtkirche Saulgau: Sakramentshaus und Bildhauerei am Hochaltar u.a. 1986 Katholische  Kirche St. Josef, Bad Urach: Kreuzweg Meditationsraum Rottenburg-Liebfrauenhöhe: Altar 1987 Katholische Kirche Hl. Geist Heilbronn-Sontheim-Horkheim: Altarraumgestaltung 1988 Katholische Kirche Peter und Paul, Laupheim: Altarraumgestaltung Katholische Kirche Ratzenried: Holzaltar und Ambo 1989 Kapelle Altenheim St. Josef, Spaichingen: Altar, Tabernakelstele 1990 Haus der Dienste, Friedrichshafen: Relief zum Grundstein 1991 Kreiskrankenhaus-Kapelle, Tuttlingen: Altar, Tabernakelstele, Lesepult 1991-1993 St. Columban, Friedrichshafen: Kreuzweg 1992 Stadtkirche Stein am Rhein, Schweiz: Altartisch, Ambo und Windfangtüren Katholische Kirche, Karlsruhe-Spessart: Säule der Erlösung 1993 Katholische Kirche, Boms: Holzarbeiten Altar mit Ambo und Sedilien- und Osterleuchter Relief für einen Kindergarten in Freudenstadt: 'Einzug Jesu in Jerusalem', Lindenholz, mit Farbe und Silber gefasst 1994 St. Petrus und St. Jakobus, Nendingen: Altar, Ambo, Sockel für Marienskulptur Horkheim, Wandtafel Relief: 'Erschaffung der Erde' 1995 Altenheim St. Josef, Spaichingen: Plastik 'Hl. Familie' 1996 Narrenbrunnen in Schramberg Altarraumgestaltung und Glasfenster 'Berg Sion' Anbetungspatres (Vallendar) 1997 Leerer Stuhl für Stadt Tuttlingen (1977 Freiburg Symposion) 1998 Katholische Kirche Blaustein: Relief St. Josef 1998/1999 Dornstetten, St. Franziskus: Altarraumgestaltung Krankenhaus Schwenningen: Altar, Ambo, und Fenster im Andachtsraum (zwischenzeitlich aufgelöst; Fenster werden im Schwarzwald-Baar Klinikum Villingen-Schwenningen präsentiert) Bronnen: Zelebrationsaltar, Ambo, Osterleuchter 1999 Baindt: Altarraumgestaltung der neuen Hauskapelle für sehbehinderte und mehrfachbehinderte Kinder 2000 Baindt: Großes Relief, Altes und Neues Testament in der neuen Hauskapelle für seh-und mehrfachbehinderte Kinder 2003 Dom Rottenburg: Ergänzung zur freien Aufstellung der Kathedra mit Relief 'Martinus'

Arbeiten in öffentlichen und privaten Sammlungen

Kunstförderung des Landes Baden-Württemberg
Regierungspräsidium Freiburg und Tübingen
Stadt Trossingen
Landratsamt Tuttlingen
Stadt Tuttlingen
Stadt Villingen-Schwenningen Sammlung Felix Schlenker, Städtische Galerie Villingen-Schwenningen
Sammlung K. H., Schwenningen
Sammlung Willi Bucher, Fridingen
Sammlung M. und H. K., Linz am Rhein
Monika Koerner
Sammlung Antonio Ratti, Como
Sammlung G. E., Duisburg
Sammlung G. N., Trossingen