VvsV

Die Ausstellung der Studentinnen und Studenten, Absolventinnen und Absolventen der Dependance Bildhauerei / Public Art, Prof. Georg Winter mit über 40 Beteiligten in der Städtischen Galerie Villingen – Schwenningen vom 11. Oktober bis 6. Dezember 2015 zeigte nach einer intensiven Projektphase vor Ort, Raumsituationen, Installationen, Videos, Zeichnungen, Objekte, Interventionen, Kooperationen, Dokumentationen in einer Dichte, wie sie für die künstlerische Arbeit der Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK Saar) Dependance Völklingen steht.

Fast zwei Jahre wurde dieses Ausstellungsprojekt mit dem geheimnisvollen Titel

VvsV Querulanten / Hylobaten Higher Education Völklingen 2007 – 2015

vorbereitet und die Studierenden haben immer wieder Exkursionen nach Villingen-Schwenningen unternommen, um Stadt und Region kennen zu lernen. Daraus entwickelten sie Projektvorschläge, die einer Jury – Juroren waren die Kunsthistorikerin Sepake Angiama von der International Manifesta Foundation in Amsterdam und Christian Malycha vom Kunstverein Reutlingen e.V. sowie Prof. Georg Winter – am 9. März 2015 vorgestellt wurden. Die Jury diskutierte in drei 'Wertungs-Runden' über die eingereichten Projekte und prüfte die Finanz- und Kostenpläne. Von annähernd 50 eingereichten Arbeiten empfahl sie dann 15 Projekte und vier Aktionen zur Realisierung. Im städtischen Forst oder mit der Hochschule der Polizei Baden-Württemberg in Villingen-Schwenningen wurden seither verschiedene Kunstaktionen und Performances realisiert und mit Fotokamera und in Videos dokumentiert. Auch die Fasnet in Villingen war für einige Studierende Thema einer künstlerischen Auseinandersetzung. Und die Jury entschied sich auch für ein künstlerisches Projekt, das mehr als 8.000 km fern von Villingen-Schwenningen, in der Mongolei stattfand.

Das Ausstellungsprojekt und seine inhaltliche Genese beschreibt Prof. Georg Winter ausführlich: "'VvsV' ist keine Abkürzung wie beispielweise 'VuV' (Verein ungarischer Vorsteherhunde). 'VvsV' ist eine Formel. Bei der Verwendung von Formeln wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass die Beteiligten sich vorher über die Zeichen ihre Bedeutung und Verwendung geeinigt haben. Bei 'VvsV' ist das nicht der Fall. 'VvsV' ist ähnlich wie im Roman 'V' von Thomas Pynchon eine Suchformel, die sich Übereinkünften annähert, sowie aus Übereinkünften entfernt um nicht entschlüsselt zu werden. Formuliert wurde Sie von Studentinnen, Studenten, Absolventinnen, Absolventen der HBK, im Zusammenhang der Einladung zu einer Ausstellung in der Städtischen Galerie Villingen-Schwenningen.

Alle Beteiligten haben oder hatten eine Verbindung zur Dependance der HBK im Weltkulturerbe Völklinger Hütte. Die Dependance wird von mir seit 2007 im Fachbereich Bildhauerei / Public Art betreut und ist neben dem Europäischen Zentrum für Promenadologie, eine "Hütte" des künstlerischen Experiments und vieler Fragestellungen in Kunst und Gesellschaft. Das 'S_A_R Projektbüro' und die 'AG AST' (Arbeitsgemeinschaft Anastrophale Stadt) sind international im Einsatz. So könnte eine differenzierte Annäherung an die Formel mit zwei Positionen beginnen: 1.: Völklingen-Villingen-Schwenningen-Völklingen 2.: Völklingen versus Völklingen

Zu 1. Der Ortswechsel in eine Doppelstadt wie Villingen-Schwenningen zeigt eine neue Perspektive auf und führt wieder zurück an den Ausgangsort, wobei sich alles geändert hat, die Beteiligten, die Wege, die Ausgangssituation, die Doppelstadt, die künstlerischen Positionen.

Zu 2. Eine Autoimmunreaktion, 'V versus V', ein Institut greift sich selbst an. Eine Ausstellung, eine Ortsverschiebung um den eigenen Zustand in Frage und zur Disposition zu stellen. Ein Modell zur Wirklichkeitskonstruktion.

Formulieren Sie des Weiteren sprachlich in dem Sie das kleine 's' mit der Zunge in den stimmhaften mit Unterlippe und Zähnen gebildeten Reibelaut 'V'’ einschieben. So wird bei der Aussprache der stimmhafte labiodentale Frikativ mit einem kleinen 's' differenziert: ...VvsVVvsVVvsVVvsV...

Versuchen Sie zudem den Ausstellungstitel 'VvsV'klar und deutlich auszusprechen und mit den Händen ein 'V' Zeichen darzustellen. Wichtig ist dabei, dass die Handinnenfläche nach Außen zeigt: Victory! Das Victory-Zeichen ist eine Handgeste, bei der, der Zeige- und Mittelfinger zu einem 'V' ausgestreckt werden, während der Ringfinger und der kleine Finger eingezogen bleiben. Der Daumen wird über die beiden Finger gelegt, die Handinnenseite zeigt vom Ausführenden weg. Im 2. Weltkrieg führte die 'V for Victory' Kampagne der BBC zur Verwendung des 'V's (Morsecode für V ist: dreimal kurz einmal lang) zum Einsatz des Kopfmotives von Beethovens Schicksalssymphonie (5. Sinfonie): Da Da Da Daaaaa....'VvsV'......

Querulanten "Diejenigen Parteyen, welche sich der vorgeschriebenen Ordnung nicht unterwerfen, sondern entweder Collegia und deren Vorgesetzte mit offenbar grundlosen und widerrechtlichen Beschwerden gegen bessere Wissenschaft und Überzeugung belästigen; oder nachdem sie ihres Unrechts gehörig bedeutet worden, mit ihren Klagen dennoch fortfahren, (…) sollen als muthwillige oder boshafte Querulanten angesehen, ihnen der Prozeß gemacht, und über ihre Bestrafung rechtlich anerkannt werden." § 30 der Allgemeinen Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten vom 6. Juli 1793

Der Begriff 'Querulanten' erfährt in diesem Projekt eine anastrophale Wende seiner ursprünglich negativen Bedeutung. Wer den Fährmann (Charon) sieben Jahre über die Saar begleitet hat wie das 'S_A_R Projektbüro' der Dependance der HBK im Weltkulturerbe Völklinger Hütte und zwischen Skylla und Charybdis einen Weg fand, sieht in der Querulanz die eigentliche Aufgabe der Künste. Sich nicht stromabwärts treiben lassen um von der Quelle aus endlich die Unverbindlichkeit der Mündung zu erreichen, sich nur bedingt gegen den Strom, von der Mündung aus zur Quelle (Hölderlin, 'Der Ister' = Donau) flussaufwärts zu arbeiten, findet die Kunst ihre Erfüllung in der Querung. Sie kennt die Gefahren der beiden festen Uferseiten. Sie kennt das Treiben mit dem Strom und den Kampf gegen den Strom. Die Querung verbindet die zwei Seiten mit dem Fluß. Sie nutzt gleichzeitig Strom und Gegenstrom und verlässt sich nicht auf eine der beiden Seiten. Die Querulanz ein Zustandsraum.

Hylobaten Der Name Hylobaten ist eine Ableitung der Hylobatidae, dem lateinischen Namen der Gibbons. Hylobatidae bedeutet wörtlich 'Waldgänger'. Gibbons sind tagaktive Waldbewohner, die mit ihren langen Armen und den weit unten ansetzenden Daumen perfekt an die hangelnde Lebensweise angepasst sind. Sie schwingen durch die Bäume und können mit einem einzigen Schwung 3 m zurücklegen. Auf dem Boden bewegen sie sich zweibeinig. Sie haben eine besondere Art sich den Raum zu erschließen. Bei 'VvsV' sind die Hylobaten eine Gruppe von Studierenden, die sich aus der urbanen Kunstpraxis in den Wald begeben haben und sich am Rand, Stadtrand, Waldrand und inmitten des Waldes aufhalten um künstlerische Arbeiten zu realisieren. Die Hylobaten arbeiten an den Übergängen ruraler und urbaner Strukturen, hangeln sich durch den Raum. "er roheste und knechtischste Zustand der menschlichen Gesellschaft wird gleichwohl durch gewisse feste, allgemeine Regeln geordnet." Edward Gibbon (1737-1794)

Higher Education Völklingen 2007 – 2015 Wenn in diesem Zusammenhang 'V' für Völklingen steht, meinen wir die Dependance der HBK in der Handwerkergasse inmitten des Weltkulturerbes Völklinger Hütte, einem ehemaligen Stahlwerk. 'V' verbindet die Ateliers, Seminarräume, Bibliothèque Nationale Völklingen, Werkstätten, Übungsräume, Archiv, Freiräume einer von mir und den Masterstudiengang 'M PAD' (Public Art, Public Design) betreuten realen Hochschulutopie. 'S_A_R Projektbüro' und 'AG AST' (Arbeitsgemeinschaft Anastrophale Stadt) verbinden Forschung, künstlerische Praxis, fächer- und hochschulübergreifende Projekte mit den gesellschaftlichen Zuständen.

S_A_R Projektbüro Skulptur, Stadt, Space, Social Research, Sun, Selforganizing,... Aktion, Art, Architektur, Andere Räume, ... Recherche, Raum, Rescue, ...

'S_A_R' steht in Anlehnung an das Kürzel der internationalen Rettungskräfte 'SAR' (search and rescue) für das im Oktober 2007 von mir mit Studentinnen und Studenten gegründete Projektbüro. Das 'S_A_R Projektbüro' sieht seine Aufgabe in der Frage nach gesellschaftlich relevanten Arbeitsfeldern für künstlerische Vorhaben und Methoden, deren inhaltliche Recherche, Koordination und Realisierung. Zahlreiche Hochschulen und Fächer übergreifende Projekte wurden realisiert wie beispielsweise: 'Planning Unplanned' mit der TU Wien, 'urgent urban ambulance / uuuuuuuaaaah!' Projektraum des Deutschen Künstlerbundes, Berlin‚ 'AG AST' in Mannheim mit 'zeitraumexit, 'Wunder der Prärie' oder 'Mullaemolla' mit 'Think ll do' in Seoul, Völklingen, Eindhoven, 'Perspektiven der Flucht in einer flüchtigen Gesellschaft' mit der HTW Saar und dem Roma Büro Freiburg e.V. Die Dependance der HBK in der Handwerkergasse des Kulturwelterbes Völklinger Hütte in Völklingen ist Basisstation, Einsatzzentrale, Recherchezentrum sowie Residency des 'Artist survival camp'."

In der Ausstellung VvsV im 'Lovis-Kabinett' der Städtischen Galerie sind Bilder, Videos, Skulpturen und Installationen zu sehen, die in und mit ihren vor Ort entwickelten Bild-Findungen das künstlerische Denken einer außergewöhnlichen Haltung im zeitgenössischen Kunstschaffen spiegeln: Kunst als Produkt prozesshaft erfahrener Erlebniswelten in Bezug zu gesellschaftlich relevanten Fragestellungen über den Wert der Natur, im künstlerischen Prozess beim Schaffen mit und in der Natur oder im performativen Handeln im öffentlichen Raum als eigenständige künstlerische Arbeit.

Zur Eröffnung am Samstag, dem 10. Oktober 2015, um 17 Uhr, begrüßte Oberbürgermeister Dr. Rupert Kubon die Gäste. Zur Ausstellung sprachen Wendelin Renn, Städtische Galerie und Prof. Georg Winter, Hochschule der Bildenden Künste Saar, Saarbrücken.

Auf dem Bahnhofs-Vorplatz im Stadtbezirk Schwenningen fand im Rahmen des Ausstellungsprojektes am Sonntag, dem 11. Oktober 2015, um 11 Uhr, die Performance des 'Planet Dance Ensemble' statt. Die 'Afrinngen Drumming Group' wirkte dabei unterstützend mit.

Die Kunstaktionen der Studierenden und das Werden der Ausstellung VvsV wurden von SchülerInnen der Klasse 10a der St. Ursula Schulen Villingen mit ihrer Lehrerin Anna Maria Saurer begleitet.

Klasse Prof. Georg Winter Studierende der Hochschule der Bildenden Künste Saar 

AG AST  

Minor Alexander

Barbara Billy

Bürckner

Marion Cziba

Hyun Ju Do

Frédéric Ehlers

Richard Engel

Jan Engels

Cornelia Fachinger

Konstantin Felker

Jochen Follmar

Anna Kautenburger

Katrin Lambert

Hanguk Lee

Naomi Liesenfeld

Jules Meiser

Hannah Mevis

Bongjung Oh

Hyunho Park

Paulette Penje

Timo Poeppel

Julia Rabusai

Claudia Raudszus

Nora Veneranda Roedelstuerz

Lila Rose

Lisa Marie Schmitt

Türkten Türkmen

Wanderley Viera

Na Wang

Martina Wegener

Georg Winter

Veronika Wünsch

Nina Zarkh

S_A_R Projektbüro

Ausstellungsdauer

11. Oktober bis 6. Dezember 2015

Gefördert von

Kendrion (Villingen) GmbH
Sparkasse Schwarzwald-Baar

Kooperation

Kooperation mit Schülerinnen und Schülern der Klasse 9 der St. Ursula Schulen Villingen