Bild: Städtische Galerie

 HAGULANE

'HAGULANE' oder: Die Heimat im Spiegel junger Kunst

Eine Kunst-Reise vom Schwarzwald bis zu fernen Galaxien

Geboren sind die sechs jungen KünstlerInnen in Offenburg, St. Georgen und Villingen-Schwenningen zwischen 1975 und 1981. Heute lebt und arbeitet Carolin Jörg in Stuttgart und Lyon, Jörg Obergfell in Ringenberg, Natalie Obert in Berlin, Oliver 'Olsen' Wolf in London und Paris, Thomas Straub in Köln und Thorsten Strohmeier in Zürich. Mit der Ausstellung 'HAGULANE' präsentieren sie zum ersten Mal gemeinsam ihr künstlerisches Schaffen im 'Lovis-Kabinett' der Städtischen Galerie Villingen-Schwenningen vom 29. Juni bis 31. August 2014.

Nach der schulischen Ausbildung studierten sie an verschiedenen Kunstakademien: Carolin Jörg an der Hochschule der Bildenden Künste Saar, der École nationale des Beaux Arts Toulouse, der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und der École nationale supérieure des Beaux-Arts Paris. Jörg Obergfell an der Berufsfachschule für Holzbildhauer in Garmisch-Partenkirchen, an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, an der École des Beaux-Arts in Lyon und am Goldsmiths College in London. Natalie Obert machte eine Ausbildung zur Steinmetzin und Steinbildhauerin und studierte dann an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe und an der Hogeschool van Beeldende Kunsten in Den Haag. Oliver 'Olsen' Wolf absolvierte eine Lehre als Schreiner bei der Holzmanufaktur in Rottweil und studierte dann an der Fakultät 'Bellas Artes' der Universidad Central in Barcelona, an der Fakultät 'Computer Art &Film/Video' der School of Visual Arts in New York, 'Mediale Künste' an der Zürcher Hochschule der Künste und 'Media Arts and Technology' an der Queen Mary University London. Thomas Straub studierte an der Fachschule für Holzbildhauerei in Oberammergau und an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe, der Academy of Fine Arts in Helsinki und an der Glasgow School of Art in Schottland. Thorsten Strohmeier studierte an der Zürcher Hochschule der Künste.

In der Ausstellung 'HAGULANE' beschäftigen sich die sechs KünstlerInnen mit dem Thema 'Heimat' in je spezifischer Weise. Dabei sind ihre Bildfindungen, ihre Objekte und Skulpturen sowie ihre Video-Installationen und Environments nicht bloße Vedute. Vielmehr setzen sie sich mit süffisanter Ironie, kritischem Kommentar oder auch in provokanten Setzungen mit dem Bild des 'schönen Scheins', der vermeintlichen Idylle des mittlerweile zur touristischen Marke verkommenen Abbildes vom Schwarzwald auseinander.

So stellt Jörg Obergfell den gebastelten und geschnitzten Schwarzwaldmotiven seines Großvaters – Vogelkästen, Bauernhäuser o.a. –, die er in seriell anmutenden Fotografien prä-sentiert, seine Objekten gegenüber, die er in Japan im 'Stil' seines Großvaters nach japani-schen Vorbildern während eines Stipendiums in Aomori geschaffen hatte. Carolin Jörg präsentiert mehr als 40 Arbeiten in Tusche und Acryl auf Papier, die organische Formen oder in sich verschlungene Lineamente zeigen. Ihre zarten Zeichnungen mit dem Tuschpinsel, die sie in Paris mit der Serie der 'Schwarzwaldbilder' begann, sind von bezaubernder Schönheit. "Wenn das Geformte organisch bleibt, dann kommt Lebendigkeit auf!", sagt die Künstlerin über ihre Intension beim Zeichnen. Zwei braune Erdhaufen, die mit Bauharz durchtränkt und dadurch gefestigt sind, liegen auf Gestellen, deren spitz auslaufende 'Beine' kontrastreich zur Schwere der erdigen Formen stehen. Diesen morbiden Objekten von Natalie Obert sind zwei Collagen mit den Titel 'a costuraira alfacinha #1 + 2' zugeordnet. Im Dialog dieser Werke entwickelt sich eine erlebbare Unruhe. Der Betrachter kann ein 'Unbehagen' spüren in der Präsenz dieser abstrakten Bild- und Formentscheidungen. Samuel Leuenberger schreibt im Katalog zum Werk der Künstlerin: "Eine Verdichtung findet statt, wo Emotionen einer Reise voller Sinne, Gerüche, Farbkomposition und imaginärer Strukturen mit Formen vor Ort ins Jetzt versponnen werden." Seit seiner Kindheit ist Oliver 'Olsen' Wolf von den fantastischen Möglichkeiten der Raumfahrt und den unendlichen Weiten des Weltalls gebannt. In seiner Kunst gibt Olsen dieser Leidenschaft Form und Raum und schafft in der Ausstellung eine Labor-Atmosphäre, deren Werkstattcharakter mit der eines 'Gyro Gearloose', der Comic-Figur von Walt Disney, die wir im Deutschen als 'Daniel Düsentrieb' kennen, nicht unähnlich ist. "In seinen Automatenskulpturen und interaktiven Installationen", schreibt Pascal Dinser über das Werkdenken des Künstlers, "verbindet Olsen wissenschaftliche Neugier mit phantastischem Hintersinn und führt uns auf humorvolle Weise vor Augen, dass Technik immer auch ein Spiegel unserer selbst ist". In der Arbeit 'Geostationären Raumfahrt' kann zum Beispiel jeder Besucher persönlichen Kontakt zu verschiedenen Himmelskörpern aufnehmen: zu den Umlaufbahnen der Raumstation ISS, zu Weltraumschrott, zu Mars oder Jupiter, zu einzelnen Sternen und selbst zu ausgesuchten Galaxien. Olsen hat hierfür mit immensem technischen Aufwand und dank spezieller Computerprogramme direkten Zugang zur NASA und nutzt deren frei zugänglichen Informationspool zu den Himmelskörpern. Diese Berechnungen der Bahnbewegungen der kosmischen Gebilde überträgt der Künstler auf ein sich drehendes, kreisrundes Bett und schon ist der Besucher im 'Lovis-Kabinett' mit den jeweiligen Umlaufbahnen der Satelliten, Planeten, bzw. den Bewegungen von Sternen und Galaxien verbunden. Thomas Straub präsentiert neben Skulpturen und Objekten auch eine Installation im Außenraum. Ein Thema seiner künstlerischen Arbeit ist Raum und Licht. Im 'Lovis-Kabinett' strahlt die mehrteilige Skulptur 'Lightning Structure' mit 800 Watt auf weitere Objekte des Künstlers, so auf die blattvergoldete 'Aureole' oder auf den aus Lindenholz und einem gefundenen Holunderast geformten, ins Dreidimensionale übertragenen 'Rorschach Test'. Auf der Galerieterrasse leuchtet in gleisendem, weißen Neonlicht nach Einbruch der Dunkelheit das Licht-kunstwerk 'Vier Beleuchtungsstative', das der Künstler für eine Video-Arbeit entwickelt hat: das Licht eines realen Feuers kontrastiert 15 Minuten mit diesen weißstrahlenden Leucht-stoffröhren. Thorsten Strohmeiers Video-Arbeit 'orpheus (remix)' projeziert großformatig ins Bild gesetzte Gesichter von drei jungen Frauen. Seine zweikanalige Video/Soundinstallation 'füllt' dabei die Galerieräume und nimmt den Betrachter im Monumentalbild wie in der Klangfülle der Si-nustöne von 37 bis 149 Hertz gefangen. Emotionales und Rationales wird in ruhiger, statischer Kameraführung erlebbar und in berührender Direktheit offenbar.

'Bibliothek' Neben den einzelnen Werken wurde für die Ausstellung auch ein Gemeinschaftswerk in situ produziert: Unter dem Titel 'Bibliothek' entstand eine Art 'utopischer Ort', der eine Auswahl der Lieblingsbücher der KünstlerInnen versammelt. Sechs von den KünstlerInnen je unterschiedlich gestaltete Sitzmöbel laden zum Verweilen und Lesen ein. Viele der präsentierten Bücher standen den jungen Kunstinteressierten während ihrer Schulzeit in Villingen-Schwenningen nicht zur Verfügung. In der Mitte der Installation ist zudem ein Schwarz-Weiß-Kopierer platziert, der den Besuchern zur Verfügung steht, um sich aus der Ideal-Bücher-Sammlung der Künstler ihre eigene 'HAGULANE-Sammlung' zu kopieren und mit nach Hause zu nehmen.

Ausstellungsdauer

29. Juni bis 31. August 2014

Gefördert von

Sparkasse Schwarzwald-Baar

ausgestellte KünstlerInnen

Carolin Jörg
Jörg Obergfell
Natalie Obert
Thomas Straub
Thorsten Strohmeier